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Hochschulen im Fediverse – der Vision zweiter Teil

Im direkten Anschluss an meine Vision zu Mastodon an Hochschulen möchte ich hier weitere Gedanken teilen. Während Mastodon nur einen Teil des Fediverse abbildet und durch seine funktionelle Nähe zu Twitter sich in der jüngeren Vergangenheit großer Beliebtheit erfreut, ist es eben doch nur das: Nur ein Teil des Fediverse.

Disclaimer: Ich habe kein tiefgreifendes Verständnis der Software- und Server- bzw. Protokollarchitektur, die dem Fediverse bzw. Activity Pub zugrunde liegt. Trotzdem glaube ich, mir einen Überblick verschafft zu haben, um einige Use Cases zu entwickeln, die in der Software-Entwicklung weitverbreitet sind und den Ausgangspunkt einer Entwicklung markieren.

Mehr als Mastodon

Neben Mastodon gibt es im Fediverse zahlreiche andere Dienste, die sich am einfachsten mit großen kommerziellen Plattformen vergleichen lassen. Für Einsteiger:innen zeigt sich in etwa folgendes Bild:

Twitter — Mastodon

YouTube — PeerTube

Instagram — Pixelfed

Facebook — Friendica

Weiter gibt es umfassendere Dienste im Fediverse, wie Hubzilla, das sich in etwa so beschreiben lässt (Der Absatz entstand unter Zuhilfenahme einer KI):

Hubzilla ist eine Open-Source-Software, die als Content-Management-System, soziales Netzwerk und Identitäts-Management-Plattform konzipiert ist. […]

Eine der Hauptfunktionen von Hubzilla ist die Möglichkeit, verschiedene soziale Netzwerk- und Messaging-Dienste wie Facebook, Twitter, Diaspora und Matrix in einem einzigen System zu vereinen. Dies ermöglicht es den Nutzern, mit Freunden und Kontakten in verschiedenen Netzwerken zu interagieren, ohne sich auf mehreren Plattformen anmelden und verschiedene Apps verwenden zu müssen.

Hubzilla bietet auch eine starke Identitäts-Management-Funktion, die es Nutzern ermöglicht, ihre Identitäten und Profildaten auf verschiedenen Plattformen und Geräten zu synchronisieren. Dies bedeutet, dass Benutzer ihre Daten, Freunde und Einstellungen von einem Hubzilla-Server zu einem anderen übertragen können, um ihre digitale Präsenz zu konsolidieren und zu verwalten.

Entstanden mit ChatGPT

Ein weiterer Dienst, auf den ich gestoßen bin, ist Mobilizon. Auch diese kurze Definition ist mithilfe eines KI-Dienstes entstanden: 

Mobilizon ist eine Open-Source-Software zur Organisation und Teilnahme an dezentralisierten, sozialen Veranstaltungen. […]

Die Hauptfunktion von Mobilizon ist die Möglichkeit, Events und Treffen zu organisieren und daran teilzunehmen. Die Veranstaltungen können öffentlich oder privat sein und können für eine breite Palette von Interessen und Themen konzipiert sein, wie z. B. Konzerte, Workshops, Vorträge, Sportveranstaltungen und politische Treffen.

Mobilizon ist als dezentrales System konzipiert, was bedeutet, dass Veranstaltungen auf verschiedenen Servern gehostet werden können. […] Neben der Organisation von Veranstaltungen bietet Mobilizon auch eine Reihe von Funktionen zur Kommunikation zwischen den Teilnehmern. Nutzer können Kommentare, Nachrichten und Beiträge auf einer Veranstaltungsseite austauschen, um Diskussionen zu fördern und Informationen zu teilen.

Entstanden mit ChatGPT

Use Cases der Hochschulen

Was könnten die Hochschulen mit all diesen Tools im Fediverse nun realisieren? Sie können sich weiter von kommerziellen Anbietern unabhängig machen und gleichzeitig näher zusammenrücken und Kooperation und (Wissenschafts-)Kommunikation fördern.

Gehen wir von dem Fall aus, dass jede (fast) alle Hochschulangehörigen einen Account auf einer Mastodon-Instanz haben, entweder an ihrer eigenen Hochschule oder einer hochschulnahen Einrichtung/Verbund; die Hochschulen sind also bereits vertraut mit dezentralen Diensten, die von allen Angehörigen genutzt werden.

Videoserver

Gesellen sich hierzu PeerTube-Instanzen, hätte jede Einrichtung einen eigenen Videoserver, über den unterschiedlichste Beiträge an die Öffentlichkeit gelangen können:

Material für die Presse zu aktueller Forschung hätte dort einen Platz ebenso wie die Aufzeichnungen von Keynotes und anderen Vorträgen von wissenschaftlichen Konferenzen oder gar Vorlesungsaufzeichnungen und kurze Erklärvideos, die in der akademischen Lehre eingesetzt werden. Über den jeweiligen Server würde die Autorschaft und Zugehörigkeit zu einer Institution schnell kommuniziert werden können. Der Zugang zu einzelnen Videos kann granular eingestellt werden. Sind Videos der externen Wissenschaftskommunikation öffentlich verfügbar, könnten Mitschnitte aus Vorlesungen oder Seminaren nur den jeweiligen Studierenden zur Verfügung gestellt werden. Möglicherweise wäre hier eine Integration von Open Source Learning Management Systemen wie ILIAS und Moodle denkbar. 

An einigen Hochschulen gibt es bereits solche Videoserver. Die sind aber entweder aufwendige Eigenentwicklungen einzelner Unis oder Länder (Hallo, Bildungsföderalismus), oder sie werden von kommerziellen Drittanbietern gekauft bzw. gemietet (Hallo, Abhängigkeit vom freien Markt). Keines dieser beiden Modelle würde ich als wirklich nachhaltig bezeichnen. Zudem: Setzten alle auf dieselbe Infrastruktur (PeerTube), kämen Weiterentwicklungen allen Beteiligten gleichermaßen zugute und der Transfer von Inhalten (samt Metadaten) wäre deutlich leichter.

Veranstaltungskalender

Jüngst war ich in einer Austauschrunde, in der verschiedenste Akteure der Hochschullandschaft versammelt waren und Termine zu einem akuten Thema abstimmen wollten. Nicht abstimmen im Sinne von „Wann finden wir alle gemeinsam einen Termin?“, sondern im Sinne von „Was findet wann und wo statt und können wir das gesammelt darstellen?“ Die Lösung: eine umfangreiche Excel-Tabelle, sortierbar nach Stakeholder, Themenschwerpunkt oder Art des Events. Prinzipiell eine gute Sache, aber auch sehr aufwendig in der Pflege. Plus: Es zeichnet sich eine Institution verantwortlich für den Überblick.

Software wie das oben erwähnte Mobilizon könnte hier ebenfalls die Lösung des (Koordinierungs-) Problems sein: Hätte jede Hochschule einen Server, auf der sie ihre Veranstaltungen (Events wie Tagungen, Workshops, (öffentliche) Podiumsdiskussionen) einträgt, wären sie sofort für die gesamte wissenschaftliche Community sichtbar. Ein solcher „globaler“ Kalender der Hochschulwelt offenbart Terminkonflikte oder Lücken, in die man seine eigene Veranstaltung hineinplanen kann. Filtermechanismen nach Fachbereich, Art der Veranstaltung oder anderen Metadaten helfen hierbei bei der Eingrenzung der Suchergebnisse.

Forschungsdaten und Publikationen

In meinem ersten Beitrag zu diesem Thema, Warum die Hochschulen *jetzt* ins Fediverse müssen, habe ich die Idee in den Raum gestellt, dass auch Forschungsdaten-, OER-  oder Publikationsrepositorien eine Anbindung mit Activity Pub ans Fediverse bekommen könnten. Jedes Item einer solchen Datenbank wäre dann einfach kommentier- und teilbar. Zusätzlich könnte jeder Verweis auf dieses Item unterhalb desselben im jeweiligen Repositiorum gelistet werden. Man kann sich das so ähnlich vorstellen, als hätte jeder PID oder DOI eine Art Inbox, in der immer dann eine Benachrichtigung landet, wenn jemand darauf Referenziert. Vielleicht ergeben sich hier neue (transparentere?) Metriken für die Messung von Outreach und Zitationen, die in der Wissenschaft gleichermaßen gelobt und kritisiert werden. 

Offene Fragen

Nach wie vor stellt sich die Frage, wer solche Instanzen betreiben könnte. Die großen Wissenschaftsgesellschaften wie Helmholtz oder die Max Planck Gesellschaft machen es vor: Sie stellen zumindest für ihre eigenen Einrichtungen Server bereit. Für persönliche Individual-Accounts des Hochschulpersonals und vor allem der Studierenden muss geklärt werden, ob die Hochschulen selbst aus öffentlichen Mitteln eine solche Infrastruktur finanzieren können/dürfen. Wie gestaltet sich der Betrieb dann rechtlich? Möglicherweise können auch Fachgesellschaften unterschiedlicher Disziplinen, Fördervereine und Freundeskreise der Hochschulen oder hochschulnahe GmbHs wie die GWDG diese Aufgabe übernehmen.

Ausblick

Dank Activity Pub können all diese Elemente (Videos, Veranstaltungen und Publikationen) über Mastodon geteilt und kommentiert werden. Auf diese Weise würde ein ernsthaftes und breit gefächertes Engagement der Hochschulen im Fediverse maßgeblich zu einem schnellerem, direkterem und transparenterem Austausch über Inhalte von Forschung und Lehre führen. Die Hochschulen können durch die Bereitstellung von Servern im Fediverse, eine unabhängige, demokratisch legitimierte und öffentlich finanzierte Infrastruktur aufbauen und damit weiter zur Erfüllung ihrer gesellschaftlichen Verantwortung beitragen.

Vielleicht – hoffentlich – ist Mastodon nur die Einstiegsdroge für das Fediverse an Hochschulen und wir werden bald eine große Zahl akademischer Einrichtungen im Fediverse sehen.

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