Drücke „Enter”, um zum Inhalt zu springen.

Mastodon an Hochschulen – eine Vision

Ich habe mich kürzlich dafür ausgesprochen, dass Hochschulen und Universitäten eigene Mastodon-Instanzen betreiben sollten. Hier folgen nun einige Überlegungen zum Nutzen für die Hochschulwelt, den ich mir – und möglicherweise viele andere sich auch – davon versprechen.

//update vom 09.01.2024

Weitere Personen fordern die Hochschulen auf, sich im Fediverse zu engagieren. Ich habe eine Petition mit unterzeichnet, die genau diese Forderungen auch an die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) richtet. Ihr könnt sie hier mitzeichnen:

Teilt diese Petition gerne in eurem Netzwerk!

Ausgangslage (hypothetisch)

Betrieb und Zugang

Für meine Schilderungen gehe ich von dem bestmöglichen Szenario aus, bei dem jede Hochschule und ausgewählte Landeseinrichtungen (wie etwa hochschuldidaktische Verbundzentren) jeweils eine eigene Mastodon-Instanz betreiben. Die Finanzierung ist gesichert, der Betrieb findet datenschutzkonform am jeweils eigenen Rechenzentrum statt, die Moderation der Instanzen ist geregelt, beispielsweise durch ein festes Team (angesiedelt bei der Öffentlichkeitsarbeit), ein rotierendes System, das an Gremienämter gekoppelt ist oder gar durch Initiativen, die studentische Partizipation ermöglichen.

Zweck und Zielgruppe

Auf diesen Instanzen dürfen sich alle Hochschulangehörigen (der Einrichtung bzw. der jeweiligen Verbundpartner) einen Account erstellen. Idealerweise ist die initiale Registrierung an das eigene Hochschulkonto gekoppelt oder findet mit dem Eintreten in die jeweilige Organisation automatisch statt. Das heißt, Institute und andere Einrichtungen können dort ebenso in Erscheinung treten wie einzelne Forscher:innen, Lehrende oder Studierende. Ebenso Hochschulgruppen oder Arbeitsgruppen und Organe der Hochschulverwaltung (aka akademische Selbstverwaltung). Die Nutzung ist nicht auf rein dienstliche Zwecke beschränkt, da Mastodon als soziales Netzwerk zum Austausch, nicht als Marketing-Kanalverstanden wird. Individuen, die über Forschung, Lehre, Wissenschaft und Studium sprechen wollen, stehen im Vordergrund.

Nutzen für die Hochschule

Die lokale Zeitleiste jeder Mastodon-Instanz einer Hochschule wird zu einem brummenden Newsfeed über alles, was an den Hochschulen passiert. Studierende können so Ihren Dozierenden folgen, sich unmittelbar über deren Forschung informieren und austauschen. Forscherinnen und Forscher sehen, woran ihre Kolleg:innen auch am benachbarten Institut oder der benachbarten Fakultät arbeiten. So entstehen innerhalb einer Hochschule neue Kooperationen und Synergienwerden sichtbar und genutzt.

Hochschulabsolvent:innen können ihren Account bei ihrer Alma Mater auch nach dem Studium oder der Promotion behalten. Auf diese Weise kann das Alumni-Netzwerk wachsen und besser sichtbar gemacht werden. Hochschulen schmücken sich gerne mit erfolgreichen Absolvent:innen; über das soziale Netzwerk können Rolemodels entstehen und gepflegt werden und die Hochschule als Studien- und Arbeitsort attraktiver machen.

Hochschulen als öffentliche Einrichtungen mit Bildungsauftrag nehmen eine gesellschaftliche Verantwortung wahr, Werte wie Datenschutz und Datensouveränität hochzuhalten. Mit einem Gegengewicht zu kommerziellen Anbietern betreiben die Hochschulen für sich selbst und die gesamte wissenschaftliche Community eine öffentliche Infrastruktur, die auf Open Source Software setzt. Die Hochschulen tragen durch die Förderung und (technischen) Weiterentwicklung einer dezentralen Kommunikationsstruktur zur Unabhängigkeit der Wissenschaft von Unternehmen und Konzernen bei, deren Geschäftsmodell auf die Auswertung von Nutzerdaten ausgelegt ist.

Nutzen für Studierende

Studierende erhalten mit Beginn ihres Studiums einen Mastodon-Account auf der Instanz ihrer Hochschule. Sie können so im digitalen Raum neue Kontakte knüpfen und Netzwerke aufbauen, Lerngruppen gründen und sich über das Geschehen auf dem Campus informieren. Es ist möglich, studentische (hochschulpolitische) Initiativen zu koordinieren und Mitstreiter:innen für eine Sache zu gewinnen; über Fakultätsgrenzen hinweg und über alle Semester.

Auf Mastodon kommunizieren Wissenschaftler:innen und Studierende auf Augenhöhe. In der Regel werden im Studium auch aktuell(st)e wissenschaftliche Erkenntnisse rezipiert. Über Mastodon sind die Autor:innen der gelesenen Studien erreichbar. Auch externe Wissenschaftler:innen können unmittelbar in Lehrveranstaltungen einbezogen werden, um die Qualität der Lehre zu erhöhen. 

Studierende erleben sich als selbstwirksam, wenn sie am hochschulweiten Diskurs über wissenschafts- und lehrbezogene Angelegenheiten sowie hochschulpolitische Themen partizipieren. Sie gestalten den Ort ihres Studiums durch eine aktive Teilhabe an den Diskussionen mit und tragen so zu einer offenen Kommunikationskultur bei, die maßgeblich zur Persönlichkeitsbildung beiträgt.

Nutzen für Wissenschaftler:innen und Lehrende

Hochschulpersonal – auch in der Verwaltung – erhalten ebenfalls einen Mastodon-Account. Sie können sich damit mit Fachkolleg:innen anderer Einrichtungen und Hochschulen austauschen, gemeinsame Projekte planen oder Diskussionen über wissenschaftliche Erkenntnisse führen

Beim Wechsel des Arbeitsplatzes an eine andere Hochschule können Mitarbeiter:innen durch die offene Architektur ihren Account einfach migrieren. Follower und Gefolgte bleiben erhalten, was den Auf- und Ausbau eines karriereförderlichen Netzwerks erleichtert. Gleiches gilt beispielsweise für die begleitenden Accounts von Fachkonferenzen, die sich bspw. auf Twitter etabliert haben: Der Account einer Community kann jeweils zur ausrichtenden Hochschule wechseln.

Wer aus persönlichen Gründen keinen Account in einem sozialen Netzwerk bei seinem Arbeitgeber haben möchte (dafür gibt es viele gute Gründe), kann bei einem Landes- oder anderen Verband einen Mastodon-Account erstellen. 

Weiterführende Überlegungen

Mastodon ist nur ein Netzwerk im Fediverse. Die zugrunde liegende Technologie, das Activity Pub Protokoll, könnte für noch viel mehr Dienste im Hochschulwesen genutzt werden. Wenn Plattformen wie OER- und Forschungsdaten-Repositorien über Activity Pub angebunden sind, können von Mastodon aus Medien in diesen Repositorien direkt kommentiert oder geteilt werden. Ähnlich verhält es sich mit Archiven oder Publikationsportalen. Auch Learning Management Systeme, die öffentliche Kurse und Weiterbildungsmöglichkeiten beherbergen, können von einer Anbindung an eine global vernetzte Föderation profitieren und an Sichtbarkeit gewinnen. 

Fazit

Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass der Betrieb von Infrastruktur Ressourcen kostet. Ich bin mit den technischen Grundlagen einer Mastodon-Instanz nicht vertraut, kann mir aber vorstellen, dass die technische Seite von den meisten Rechenzentren einer Hochschule ohne großen Aufwand gestemmt werden kann. Die Moderation einer Instanz für die Hochschule ist die eigentliche Herausforderung. Es braucht Personal, das Zeit in die Moderation investiert. Personal heißt immer: Finanzierung. Der oben ausführlich geschilderte Nutzen sollte einer Hochschule meines Erachtens diese Kosten aber mehr als aufwiegen. Immerhin ist es die Wissenschaft selbst, die sich zahlreiche – sehr gute – Regeln gibt. Wenn sich die Netiquette einer hochschuleigenen Mastodon-Instanz an den Leitlinien für gute wissenschaftliche Praxis orientiert, sollte eine solide Basis für eine gelungene Kommunikationskultur gelegt sein.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert